Als professioneller Sprachdienstleister begegnen wir täglich den Herausforderungen und Feinheiten verschiedenster Sprachen. Eine Sprache, die in den letzten Jahren durch wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklungen immer mehr Aufmerksamkeit erlangt hat, ist Koreanisch. Ob durch K-Pop, südkoreanische Technologieunternehmen oder Handelsbeziehungen – das Interesse an der koreanischen Sprache wächst rasant. Doch was macht Koreanisch eigentlich so besonders – gerade im Vergleich zur deutschen Sprache?
Eines der auffälligsten und auch komplexesten Merkmale der koreanischen Sprache ist das System der Höflichkeits- und Formalitätsstufen. Hier unterscheidet sich Koreanisch grundlegend vom Deutschen.
Im Koreanischen wird der soziale Status der Gesprächspartner*innen in der Sprache ständig berücksichtigt. Dazu zählen:
- Alter
- Berufliche Stellung
- Vertrautheit/Nähe mit der Person
- Soziale Hierarchie
Je nach Situation muss die passende Höflichkeitsstufe gewählt werden. Es gibt dabei mehrere Ebenen, aber die gängigsten sind:
- Informell-niedrig (반말 / banmal) – verwendet unter engen Freunden, bei Kindern oder in vertrauten Beziehungen.
- Höflich-neutral (존댓말 / jondaetmal) – Standardform, meist verwendet im beruflichen und alltäglichen Kontext.
- Formell-hoch (격식체 / gyeoksikche) – besonders höflich, oft in Präsentationen, im Kundenkontakt oder gegenüber Vorgesetzten.
Auf den ersten Blick mag sich ein Vergleich mit der Höflichkeitsform des „Siezens“ im Deutschen anbieten, doch ist das koreanische System dahinter weitaus komplexer! Während die „Sie-Form“ sprachlich lediglich das Personalpronomen und die Verbform betrifft, verändern sich in der koreanischen Sprache oft der gesamte Satzbau, der Wortschatz und die Verbkonjugationen inkl. Suffixbildung.
Beispiel: Das Verb „essen“ in verschiedenen Höflichkeitsstufen:
- Informell: 먹어 (meogeo)
- Höflich: 먹어요 (meogeoyo)
- Formell: 먹습니다 (meokseumnida)
- Ehrerbietend (z. B. gegenüber älteren Personen): 드십니다 (deusimnida)
Für Unternehmen, die mit koreanischen Geschäftspartnern kommunizieren, ist die korrekte Wahl der Höflichkeitsform nicht nur ein sprachliches, sondern ein kulturelles Muss. Eine falsche Anrede kann schnell als unhöflich oder respektlos wahrgenommen werden.
Auch im non-verbalen Bereich gibt es wichtige Unterschiede: während man sich in Deutschland mit einem Händedruck oder einer Umarmung begrüßt, wird in Korea die Verbeugung als Zeichen des Respekts verwendet.
Mit der „Höflichkeit in Stufen“ ist also nicht zu spaßen, hier zeigt sich einmal mehr deutlich, dass die Sprache häufig ein Spiegel der Gesellschaft ist.
Alphabet und Schriftsystem: „Hangul“ – einfach und genial
Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen Deutsch und Koreanisch liegt im Alphabet. Während die deutsche Sprache auf dem lateinischen Alphabet basiert, verwendet das Koreanische das sogenannte „Hangul“ bzw. „Hangeul“ (한글). Dieses Schriftsystem wurde im 15. Jahrhundert von König Sejong dem Großen eingeführt, um der breiten Bevölkerung den Zugang zur Schriftsprache zu erleichtern – mit Erfolg.
Hangul besteht aus 14 Konsonanten und 10 Vokalen, die zu Silbenblöcken kombiniert werden. So ergibt sich ein einfach zu erlernendes und zugleich äußerst effektives System. Im Gegensatz zur deutschen Rechtschreibung, die oft unregelmäßig erscheint (man denke nur an „Fahrt“ und „Vater“), ist Hangul nahezu phonetisch: In den meisten Fällen werden die Wörter genauso ausgesprochen wie sie geschrieben werden.
Für unsere Arbeit als Sprachdienstleister und auch für die zahlreichen Menschen in Europa, die Koreanisch lernen, bedeutet das: Das Entziffern koreanischer Schriftzeichen stellt im Vergleich zu vielen anderen nicht-lateinischen Schriftsystemen keine große Hürde dar. Dennoch ist die korrekte Übersetzung und Interpretation kontextabhängig – besonders in Hinblick auf die Höflichkeitsstufen.

Verflixtes Zahlensystem – „Hangul“ vs. „Hanja“
Als „Hangul“ zur offiziellen Amtssprache Koreas erklärt wurde, wurde das zuvor genutzte Sprach- und Schriftsystem namens „Hanja“ abgelöst. Mit „Hanja“ hatten chinesische Zeichen und Aussprache in die koreanische Sprache Einzug gefunden. Angewandt wurde es vor allem in gelehrten Kreisen, und noch heute finden sich in offiziellen Dokumenten, z. B. Gesetzesverabschiedungen, sino-koreanische Zeichen. „Hangul“ war in diesen Zeiten vor allem von den unteren Klassen und von Frauen gesprochen worden, die häufig nicht die Erziehung der oberen Klassen und Intellektuellen genossen, welche ihrerseits Hanja bevorzugten. In der Zeit der Annexion Koreas durch das japanische Kaiserreich (1910-1945) hatte Hangul vorübergehend einen schweren Stand, da es zugunsten der japanischen Sprache und Kultur unterdrückt worden war.

Daher finden sich heutzutage neben chinesischen auch japanische Einflüsse in der koreanischen Sprache wieder, und Hanja ist weiterhin ein wichtiger Baustein. So gibt es in Korea zwei Zahlensysteme, das ‚rein‘-koreanische und das sino-koreanische Zahlensystem. Wenn Sie z.B. jemanden fotografieren, zählen Sie in Hangul: „hana, dul, set!“. Möchten Sie eine genaue Uhrzeit für ein Treffen vereinbaren, verwenden Sie für die Minuten die sino-koreanische Zahleneinheit, geben die Stunden jedoch in Hangul an: 12:30 wäre „yeol-du“ (12; rein-koreanisch) „shi“ (Stunde) „sam-ship“ (30; sino-koreanisch) „bun“ (Minute). „Hanja“ ist also weiterhin unabdingbar in der koreanischen Sprache. Und es wird noch besser. Möchten Sie eine Schüssel, also eine ‚bowl‘ (z. B. „bulgogi“, ein klassisches koreanisches Fleischgericht) bestellen, müssen Sie die rein-koreanische Zahleneinheit verwenden. Bei der Bestellung von zwei Portionen „tteogbokki“ (beliebter koreanischer Imbiss aus Reiskuchen) findet wiederum die sino-koreanische Zahleinheit Anwendung. Das kann ganz schön verwirrend sein.
Anderer Fokus – Satzstruktur, Grammatik & Rechtschreibung
Ein grundlegender Unterschied zur deutschen Sprache liegt in der Satzstruktur. Während Deutsch im Regelfall einem Subjekt-Verb-Objekt-Muster folgt (z. B. „Ich sehe den Hund“), nutzt das Koreanische typischerweise die Struktur Subjekt-Objekt-Verb (z. B. „Ich den Hund sehe“ – 나는 개를 본다).
Zudem gibt es im Koreanischen keine Artikel und auch keine grammatische Entsprechung für das Genus (also kein Unterschied zwischen „der“, „die“ und „das“). Das führt dazu, dass viele Informationen im Koreanischen implizit und kontextabhängig sind. Für Übersetzungen erfordert das ein tiefes Verständnis beider Sprachen, um kulturell und inhaltlich stimmige Ergebnisse zu erzielen.
Grundsätzlich existieren zwar männliche und weibliche Pronomen, diese werden aber bis auf wenige Ausnahmen, z. B. in altmodischen Gedichten, kaum genutzt. Daher ist im Koreanischen immer genau auf das Subjekt zu achten. Sobald ein Name angesprochen wird, ist davon auszugehen, dass die Person auch in den folgenden Sätzen im Zentrum steht.
Als logische Folge aus der Tatsache, dass im Koreanischen kein grammatikalisches Geschlecht (Genus) angegeben wird und die Pronomen nicht spezifisch als Maskulin, Feminin oder Neutrum gekennzeichnet sind, ergibt sich auch keine Genderdebatte wie im Deutschen, zumindest keine sprachlich begründete. Stattdessen werden Kontext und soziale Faktoren genutzt, um Geschlecht und andere soziale Rollen zu signalisieren.
Des Weiteren enthalten koreanische Verben und Nomen keinen Numerus. Ob etwas Singular oder Plural ist, wird im Koreanischen einfach nicht als so wichtig betrachtet; der Plural wird nur dann explizit benutzt, wenn dies für eine Situation wichtig ist und betont werden soll.
Was wäre die deutsche Sprache ohne ihre Regeln für die Kommasetzung, und was ohne ihre Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung?
Wortschatz und Lehnwörter – Altes und Neues vereint
Der koreanische Wortschatz vereint einheimische Begriffe, sino-koreanische Wörter (aus dem Chinesischen entlehnt) und moderne Lehnwörter, vor allem aus dem Englischen. Ähnlich wie im Deutschen gibt es im Koreanischen also eine Vielzahl an Wortursprüngen.
Ein Unterschied: Viele Lehnwörter werden im Koreanischen phonetisch angepasst – so wird aus „Computer“ zum Beispiel 컴퓨터 (keompyuteo). Auch Alltagsbegriffe wie 커피 (keopi) für „Kaffee“ oder 핸드폰 (haendeupon) für „Handy“ sind geläufig.
Für professionelle Übersetzungen ist es essenziell, den Ursprung und Gebrauch eines Begriffs zu kennen. Gerade in technischen, juristischen oder medizinischen Texten sorgen scheinbar kleine Unterschiede schnell für einen großen Bedeutungsunterschied.

Kontext ist alles – Subjekt und Objekt werden überschätzt
Ein weiterer Unterschied zur deutschen Sprache liegt in der kontextbasierten Kommunikation. In koreanischen Sätzen wird das Subjekt oder Objekt oft einfach weggelassen, wenn es aus dem Kontext klar ist.
Beispiel:
- „Ich esse jetzt.“ – 이제 먹어요 (ije meogeoyo), wörtlich: „Jetzt esse.“
- „Magst du Kaffee?“ – 커피 좋아해요? (keopi joahaeyo?), wörtlich: „Kaffee magst?“
Im Deutschen würden solche Konstruktionen schnell als unvollständig empfunden werden. Im Koreanischen hingegen gelten sie als vollkommen natürlich. Diese Art der Kommunikation erfordert beim Übersetzen ein feines Gespür für den kulturellen und situativen Kontext.
Fazit: Koreanisch – mehr als nur eine Sprache
Koreanisch ist eine Sprache mit einem unverwechselbaren Schriftsystem sowie einer tiefen Ausdruckskraft. Wer die von mehr als 81 Mio. Menschen als Muttersprache gesprochene Sprache erlernt, erhält zugleich einen tiefen Einblick in Kultur, Geschichte und Traditionen des Landes. Die Unterschiede zum Deutschen reichen von der Grammatik über den Satzbau bis hin zu einem ausgeprägten Höflichkeitssystem.
Für Sprachdienstleister und Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Korea bedeutet das: Erfolgreiche Übersetzungen und Sprachtrainings setzen nicht nur tiefgreifende linguistische Kenntnisse, sondern auch interkulturelle Kompetenz voraus.

Wir unterstützen Sie gerne in Ihrem professionellen Kontext – sprechen Sie uns an!