15. Okt 2022

Teuer, teurer, Japanisch?

„Warum ist Japanisch im Vergleich zu anderen asiatischen Sprachen so kostspielig?“ – eine von Kunden, aber auch von Kolleg*innen anderer STAR-Dependancen in regelmäßigen Abständen gestellte Frage, die leider nicht mit nur einem Satz beantwortet werden kann.
Die folgenden Ausführungen sollen jedoch zumindest einen Versuch darstellen, dem Lesenden die Situation etwas näher zu bringen.

Soziokulturelle Unterschiede

Es ist nicht nur ein Klischee – Kundennähe und Servicegedanke werden in Japan trotz des auch hier steigenden Bewusstseins für Preis und Nachhaltigkeit weiterhin großgeschrieben, die Erwartungen und Ansprüche an Konsumgüter sind extrem hoch. Die meisten Japaner*innen sind gerne bereit für Qualität und Markennamen einen höheren Preis zu bezahlen, wenn sie den Erwartungen entsprechen und das Gesamtpaket stimmt

Und was für Konsumgüter gilt, trifft natürlich in gleicher Weise auf den Dienstleistungsbereich zu, womit wir beim Thema „Übersetzungen“ wären.

Wie aber äußert sich dieser (Extra-)Service in der Realität im Übersetzungsprozess?

Beispiel 1

Japanisch ist bekannt für seine zahlreichen Höflichkeitsformen – sowohl beim gesprochenen wie auch geschriebenen Wort. Dokumententyp, Medium, Zielgruppe etc. dürfen selbstverständlich auch in anderen Sprachen beim Übersetzen nicht vernachlässigt werden, im Japanischen sind die Nuancen aber zweifelsfrei feiner und Anpassungen entsprechend aufwändiger.

Um die Vielfalt etwas anschaulicher zu machen: es gibt grob untergliedert drei unterschiedliche Höflichkeitsformen: 尊敬語(ehrerbietig), 謙譲語(bescheiden), 丁寧語(höflich), die jedoch nochmals (je nach verwendetem Wort) in verschieden viele Untergruppen unterteilt werden. Nehmen wir als Beispiel einmal das Verb „denken“. Für dieses eine simple Wort gibt es genau 10(!) verschiedene Varianten, wie der untenstehenden Tabelle zu entnehmen ist. Es sind wohlgemerkt keine Synonyme, sondern es handelt sich um dasselbe Verb, und wie es je nach Situation verwendet wird.

Wenn man berücksichtigt, dass es zusätzlich noch Unterschiede bei den Ausdrucksformen zwischen den Geschlechtern gibt (zugegeben, nicht mehr ganz zeitgemäß), wird vielleicht etwas verständlicher, wieviel man beim Übersetzen „falsch“ machen kann. Wobei, wie die Anführungszeichen andeuten, es streng genommen kein Übersetzungsfehler, sondern in vielen Fällen eine Geschmacksfrage ist, die von der jeweiligen Person abhängt.

Beispiel 2

Ein Beispiel, das unmittelbar mit dem o.g. Punkt in Verbindung steht, betrifft die häufig in Marketing-Inhalten verwendeten Stilmittel der Ironie oder Ambiguität. Europäische Sprachen nutzen bei der Ansprache an ihre Kunden in der Werbung immer wieder gerne diese beiden Elemente, um z.B. neben dem Faktor Humor einen unausgesprochenen Seitenhieb in Richtung Konkurrenz auszuteilen.
Was auf westlichen Märkten sehr gut funktioniert, kann in Japan unmittelbar zu Problemen führen, da die besagten Stilmittel implizieren würden, dass der*die Endverbraucher*in „von oben herab“ angesprochen wird. Ergebnis: eine technisch gesehen korrekte Übersetzung ist trotzdem am Ende „falsch“.

Beispiel 3

(Nicht-)Verwendung von Fußnoten im Sinne von Disclaimern: was in der westlichen Marketing- und Verkaufsliteratur gang und gäbe ist, um z.B. optionales Equipment auf dem verwendeten Bildmaterial oder eingeschränkte Verfügbarkeiten zu deklarieren, wird in Japan nur in Ausnahmefällen verwendet. Grund: japanische Kund*innen erwarten schlicht und einfach einen perfekt lokalisierten Inhalt.

Beispiel 4

Punkt 3 hat häufig zur Folge, dass Übersetzungen beim Kundenreview nicht nur auf Korrektheit geprüft, sondern umfassenden marktspezifischen Anpassungen unterworfen werden.
Logische Folge: zahlreiche „Korrekturen“, die von Nicht-Japaner*innen häufig mit „fehlerhaften“ Übersetzungen gleichgesetzt bzw. verwechselt werden.

Die erwähnten Beispiele spiegeln selbstverständlich nur einen Teil des Gesamtbildes wider, und sie sollen lediglich die Schwierigkeiten beim Übersetzungsprozess ins Japanische ein wenig veranschaulichen.

Unzweifelhaft dürfte aber die Tatsache sein, dass für Übersetzungen ins Japanische der Kontext (an wen ist das Dokument gerichtet, wie wird es publiziert etc.) und Rahmeninformationen (z.B. jap. Spezifikationen etc.) unerlässlich sind.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Ein weit verbreiteter Irrtum, der immer wieder durch die westlichen Medien schwirrt, lautet: „In Japan kosten Äpfel und Melonen hundert Euro das Stück, und auch sonst ist alles unerschwinglich.“
Komplett falsch ist die Aussage in der Tat nicht, und es gibt tatsächlich die viel zitierten Äpfel in dieser Preiskategorie und sogar Leute, die diese konsumieren (da wären wir wieder bei den soziokulturellen Unterschieden – der Apfel als Statussymbol), aber – keine Sorge – es gibt auch Äpfel für einen Euro!
Dennoch: gerade im Vergleich zu den meisten anderen asiatischen Nachbarn ist das Preis- und Gehaltsgefüge in Japan verhältnismäßig hoch und das BIP pro Kopf entsprechend höher als in Europa.

Wie das Obst-Beispiel zeigt, kann nicht pauschalisiert werden, es besteht jedoch eine Grundtendenz. Eine Festlegung von Einheitspreisen (oder der Versuch der Vereinheitlichung) für unterschiedliche Sprachen entspricht demnach nicht der Realität. Ein Handwerker in Berlin würde, arbeitete er ausschließlich für den in Prag üblichen Stundenlohn, vermutlich seine Lebenshaltungskosten langfristig nicht decken können. Für Tokyo und z.B. Bangkok gilt mit Einschränkung dasselbe.

Dieser Umstand ist selbstverständlich allseits bekannt und keine große Neuigkeit – er wird aber beim Thema Übersetzung teilweise unzureichend berücksichtigt.

Ein weiterer wichtiger Faktor: Angebot und Nachfrage in puncto Ressourcen. Japanisch ist nicht nur geographisch, sondern auch sprachlich in gewisser Form isoliert, da es keiner anderen Sprachfamilie exakt zugeordnet werden kann. Die Zugehörigkeit zu einer zahlenmäßig starken Sprachfamilie, wie z.B. Deutsch (westgermanische / indogermanische Familie) erhöht im Prinzip auch die Zahl der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Je mehr Übersetzer, desto geringere Kosten.

DTP (Desktop Publishing) – Japanischer Satz

Im Prinzip scheint es ganz einfach zu sein: die vom Kunden gewünschte Schrift auswählen, Text einsetzen, fertig.
Kann also nicht so schwer sein, oder etwa doch?
Beim genaueren Hinschauen wird schnell deutlich, dass im Japanischen ein schlichtes Copy&Paste nicht ganz ausreicht und sprachspezifische Fachkenntnisse unabdingbar sind.

Bei Satzarbeiten auf Japanisch gilt es verschiedene Schriftsysteme miteinanderabzustimmen: chinesische Schriftzeichen (Kanji 漢字), japanische Silbenschriftzeichen (Hiragana ひらがな und Katakana カタカナ), lateinisches Alphabet, chinesische sowie indisch-arabische Ziffern.

Damit nicht genug, Japanisch kann man waagerecht und senkrecht schreiben.

All diese typographischen Elemente in Einklang zu bringen und aus dem „Chaos“ ein einheitliches Bild zu formen kann mitunter recht zeitaufwendig sein (auch wenn sich für den Laien auf Anhieb Chinesisch und Japanisch nicht großartig voneinander unterscheiden – eine Vielzahl an Schriftsystemen, wie sie Japanisch aufweist, wirkt sich letztlich als Multiplikator beim Arbeitsaufwand aus).

*Bsp. japanische Zeitschriften. Die meisten Zeitschriften in Japan werden von rechts nach links geblättert, selbst wenn die Mehrheit der Texte waagerecht gesetzt ist.

InDesign: Japanische Sonderfunktionen

Alle InDesign-Versionen, egal für welche Sprache, sind natürlich untereinander kompatibel. Europäische Versionen können demnach auch eine japanische InDesign-Datei öffnen und umgekehrt.
Die InDesign-Version für europäische Sprachen verfügt jedoch nicht über die typografischen Funktionen oder die Layout- und Rahmenraster zur Bearbeitung japanischer Texte.
Beim Blick auf „Absatzpalette“ und „Zeichenpalette“ wird dieses, sofern Sie mit der Software vertraut sind, auf Anhieb deutlich.

Weitere Details zu den Themen „Kinsoku-Shori“, „Mojikumi“ etc. finden Sie unter:https://helpx.adobe.com/de/indesign/using/composing-cjk-characters.html bzw. https://helpx.adobe.com/de/illustrator/using/formatting-asian-characters.html

Japanische Texte flattern nicht

In den meisten geschriebenen Sprachen der Welt werden Wörter voneinander getrennt. Die Zeilen werden bei Wortfugen umgebrochen. Die Zeilenlänge variiert ständig, weil die Wörter unterschiedlich lang sind. So entsteht der Eindruck, dass die Texte flattern. Aber Japanisch wird ohne Leerzeichen geschrieben und abgesehen von wenigen Ausnahmen – die jedoch unbedingt eingehalten werden müssen – kann ein Zeilenumbruch mitten im Wort nach jedem Schriftzeichen erfolgen.

Deswegen gibt es in der Regel im Japanischen keinen Flattersatz, wie er in westlichen Texten verbreitet ist. Für japanische Texte wird in den allermeisten Fällen Blocksatz verwendet.
Wo jedoch kein Blocksatz erwünscht ist, z.B. bei diversen Überschriften, Teasern oder Bildunterschriften, werden Texte in Form von Flattersatz gesetzt, wobei sich die Zeilenumbrüche nicht nach dem verfügbaren Platz, sondern immer nach inhaltlichen Erwägungen richten. Sie sollten den Text also besser lesen können beim DTP.

Japanische Schriftarten (Fonts)

Die Schriftarten, die bei in Deutschland erstellten Broschüren, Anleitungen oder Flyern zum Einsatz kommen, decken häufig asiatische Schriftsysteme wie Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch nicht ab.
Es fehlen schlicht die Zeichen (Glyphen) für die Darstellung, denn mit bis zu 50.000 Glyphen, die zu den 26 lateinischen Buchstaben hinzukommen, sind solche global fonts oder world fonts extrem aufwändig in der Herstellung. Somit können die in den Ausgangsdokumenten verwendeten Schriften oft nicht für das Layouting der japanischen Übersetzung verwendet werden.

Die „lateinischen“ Schriften müssen daher ersetzt oder mit japanischen Schriften kombiniert werden – ein zusätzlicher und teilweise sehr aufwändiger Arbeitsschritt. Dabei ist mit Bedacht vorzugehen, um die optische Gestaltung und Anmutung des Originals beizubehalten, denn – selbst, wenn es für das ungeübte Auge nicht so erscheint – auch japanische Schriften weisen eine große Bandbreite an „Charakteren“ auf.

Von klassischen, serifenähnlichen Schriften mit ausgeprägt traditioneller Anmutung bis hin zu „serifenlosen“ klaren und modernen Fonts ist alles verfügbar.

Sehr gerne beraten wir Sie bei der Auswahl von japanischen oder asiatischen Fonts, die optimal zu Ihrem Corporate Design passen.

Variationen verschiedener japanischer Schriftarten

Falls Sie detailliertere Informationen benötigen und Fragen zum Thema Japanisch und allem was damit zusammenhängt, haben – wir stehen Ihnen jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite.

 

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